Franz und Hilde

Aus dem  Heimatboten für die Kreise Tachau und Bischofteinitz v. 20.08.1999

Wir betrauern

„Es weht der Wind ein Blatt vom Baum, von vielen Blättern eines. Das eine Blatt, man merkt es kaum denn eines ist ja keines. Doch dieses eine Blatt allein war Teil von unserem Leben. Drum wird dies eine Blatt allein uns immer wieder fehlen.“

Am 25. Juni 1999 wurde mein Bruder Franz, versehen mit den heiligen Sterbesakramenten, aus seinem irdischen Dasein abberufen. Er entschlief im Kreise seiner Familie der Krankheit entsprechend relativ ruhig und friedlich. Für uns ist es traurig, doch wir müssen uns mit dem Unabänderlichen abfinden und unsere Aufgabe ist es, sein Andenken zu bewahren und ihn in guter Erinnerung zu behalten. Als im Frühjahr letzten Jahres die Diagnose feststand, gaben ihm die Ärzte nur noch eine kurze Zeitspanne zu leben. Doch es kam anders. Mit derselben Kraft, die sein ganzes Leben auszeichnete, hat er seine Krankheit durchkämpft, erlitten und ertragen. Mir bleibt die Erinnerung an die gemeinsam verbrachte Jugend, mir bleibt die Achtung vor seiner Arbeit, seiner Geradlinigkeit, seiner Grundsatztreue und der Dank für seine Heimatverbundenheit. Ich habe mit ihm ein großes, großes Stück Heimat verloren, er wird mir bei den die Heimat betrachtenden Überlegungen fehlen. „Nun bist Du heimgegangen in Dein ewiges Ringelberg, wo der Schmerz nicht quält, der Hunger nicht plagt, der Hass nicht nagt, wo Neid und Missgunst weder Tür noch Tor oder Angel finden“. Wir, Deine Angehörigen, gönnen Dir den Frieden. Wir werden Dein Bild im Herzen tragen, bis ein gütiges Geschick es fügt und unsere Wege dereinst wieder zusammenfinden. Wir haben ihn am 30.06.1999 am Waldfriedhof zu Geretsried im Familiengrab zu Ruhe gebettet, ganz nahe seiner im Jahre 1974 verstorbenen Mutter. Es trauern um ihn seine Kinder, Enkel, Urenkel, Geschwister und Anverwandten.

Franz Gleißner wurde am 13.11.1925 in Ringelberg, Hs.-Nr. 12 (Ortsteil Häuser), im Krawaschnhaus geboren und verlebte seine Kindheit mit den Geschwistern Emma und Josef im Elternhaus. Seine Jugend war nicht auf Rosen gebettet, denn als Achtjähriger verlor er seinen Vater, der am 16.02.1934 im Krankenhaus zu Tachau verstarb. Wer diese Zeiten erlebt hat, der weiß, was der Verlust des Ernährers bedeutete. Er besuchte die hiesige Volksschule und erlernte anschließend den Beruf eines Elektroinstallateurs bei Josef Protschka in Tachau. Nach dem Abschluss der Lehre wurde er sogleich kriegsdienstverpflichtet und dem Munitionswerk II in Holleischen, Kr. Mies, zugewiesen. Den RAD leistete er in Calau, Niederlausitz, ab. Unmittelbar darauf wurde er zur Luftwaffe nach Calw/Württemberg einberufen. Die Grundausbildung erhielt er in Nancy, Frankreich. Seinem Wunsch, zum fliegenden Personal der Luftwaffe zu kommen, wurde entsprochen, nachdem er einige Tauglichkeitsuntersuchungen mit Erfolg absolvierte. Er kam zur Bordfunkerschule nach Erfurt-Bindersleben. Nach der Beendigung der Ausbildung wurde er, wie damals fast alle, einer anderen Luftwaffeneinheit am Truppenübungsplatz Wahn bei Köln zugeführt. Der erste Fronteinsatz erfolgte im Herbst 1944 im Raum Arnheim/Nimwegen, Holland (Luftlandung der Briten). Es folgte ein weiterer Fronteinsatz im Hagenauer Forst in Elsaß-Lothringen. Als Angehöriger der 7. Fallschirmjägerdivision geriet er kurz nach Eröffnung der britischen Reichswaldoffensive anlässlich eines Erkundungsauftrages hinter der Frontlinie am 09.02.1945 bei Hasselt (Raum Kleve) in britische Kriegsgefangenschaft. Er kam in das Lager 2226 Jabekke bei Brüssel. Im Herbst 1945 wurde er von dort entlassen und kam mit viel Mühe noch heim nach Ringelberg. Im Elternhaus war inzwischen der „Mistni nardni vibor“ (tschech. Nationalausschuß, Ortsvorsteher) tätig und er musste fortan viele Schikanen ertragen, weil man ihm die Zugehörigkeit zu einer anderen Waffengattung unterstellte. Die tschechischen Gendarmen Karel Staach, Vlassak und Cerny taten sich dabei besonders hervor. Auch die SNB und Grenztruppen waren daran beteiligt. Auch an seiner zugewiesenen Arbeitsstelle, der Breinlfabrik in Ringelberg, war er vor Prügeleien und Nachstellungen nicht sicher, selbst der „Spravci“ Milacek konnte dies nicht verhindern.

Als zwei Tage vor Weihnachten sich bestimmte Jahrgänge am Arbeitsamt in Tachau melden sollten, traten er und drei andere Meldewillige auf dem Weg nach Tachau meinen Paten, den letzten deutschen Bürgermeister von Galtenhof, Josef Roth (Wewaseff), der ihnen mitteilte, dass keiner der Vorsprechenden das Arbeitsamtsgebäude wieder verlassen konnte. Zwangsarbeit in den Kohlegruben im Raume Brüx/Dux war angesagt. Alle vier beschlossen, die Flucht nach Bayern anzutreten. Sie suchten zunächst Unterkunft im hinteren Gehäuse des Wasserrades der Siewamühl in Ringelberg. Unsere Landsmännin Cilli Härtl verständigte die Angehörigen der Flüchtenden und diese ließen ihnen noch Habseligkeiten zukommen. Bei einer Kontrolle durch tschechische Gendarmen wurden sie, Gott sei Dank, nicht entdeckt. In der Nacht des Heiligabends 1945 gingen sie (Mirlhans, Schwarznhansl (Thiergarten), Wirtshäuslossl und er selbst) durch das Ringelberger Revier über die Grenze nach Bayern.

Erst nach langem Suchen fanden sie bei einem bereits früher geflüchteten Ringelberger Landsmann eine Unterkunft. Niemand öffnete die Türen. Wahrlich eine Parallele zur Weihnachtsgeschichte im Heiligen Land. Auch das gab es. Von Naab bei Bärnau aus begann eine Odyssee auf Unterkunftssuche, die schließlich in Ansbach, Mittelfranken endete. In der dortigen Karlshalle fanden sie eine Notunterkunft. Als gelernter Elektriker wurde mein Bruder zum Wiederaufbau des Würzburger Rangierbahnhofs in Heidingsfeld verpflichtet. Es gelang ihm, ein Zimmer zugewiesen zu erhalten. Später war er in seinem Beruf in der Ansbacher Gneisenaukaserne bei den US-Streitkräften tätig. Im Mai 1947 heiratete er seine Jugendfreundin Hilde aus Karlsbad (eine gebürtige Thiergartnerin). In Ansbach kam auch der Sohn Gerhard zur Welt. Bereits mit 25 Jahren (frühester Zeitpunkt) legte er die Meisterprüfung im Elektrohandwerk bei der Handwerkskammer Mittelfranken (als erster Flüchtling, wie man uns damals nannte) ab. Im Jahre 1952 erwarb er in Niederbayern einen Meisterbetrieb (der Verkäufer brauchte deshalb keinen Lastenausgleich zahlen) und erweiterte diesen so nach und nach. Die Kinder Peter und Sibylla erblickten dort das Licht der Welt.

Da Franz und Hilde begeisterte Bergsteiger und Wanderer waren, ergriffen sie die erste sich bietende Gelegenheit, in die Nähe der Alpen zu kommen. Sie verzogen im Jahre 1966 nach Geretsried, wo sie ein ansehnliches Geschäftshaus errichteten. Mit viel Müh‘ und Plag‘ gelang dieses Wagnis. Sie haben Höhen und Tiefen kennengelernt und mache Härte zu spüren bekommen, von denen sich so mancher Jammerer von heute eine Scheibe abschneiden könnte. Im Rentenalter gaben beide den Betrieb auf, nachdem der ältere Sohn an anderer Stelle einen Installationsbetrieb gründete. Nunmehr konnten beide ihren Hobbys (Bergsteigen, Tanzturniersport u.a.) nachgehen, was sie ausgiebig wahrnahmen. Nach nur kurzer Krankheit verstarb am 15.05.1990 seine Frau Hilde im 62. Lebensjahr.

Für meinen Bruder begann ein neuer Lebensabschnitt, den er bravourös meisterte. Er lebte nunmehr mit und für seine Angehörigen. Es war ihm vergönnt, den Ruhestand zu genießen und er erfreute sich vor allem einer guten Gesundheit. Unversehens stellte sich eine tückische Krankheit ein, die jedermann von uns fürchtet. Die daraus folgenden Beschwerden nahmen immer zu, aber sein Lebensmut erlahmte so schnell nicht. Einen Monat vor seinem Ableben wollte er das letzte Mal mit Augen und Herz die Schönheit seiner angestammten Heimat in sich aufnehmen, bevor er aufgerufen wurde, seine allerletzte große Reise heimwärts in Gottes Frieden anzutreten. Er raffte sich noch auf, den vergangenen Sudetendeutschen Tag in Nürnberg zu besuchen, obwohl er schon arg geschwächt und von der Krankheit gezeichnet war. Seine Tochter Sibylla erfüllte ihm seinen Wunsch. Ein erfülltes Leben ging zu Ende. Habe Dank für alles. Der Herr schenke Dir die ewige Ruhe. Adieu, mein Bruder, Adieu.

Josef Gleißner

Nachruf auf Hilde Gleißner im Heimatboten für die Kreise Tachau und Bischofteinitz

Wir betrauern

Am 15.05.1990 verstarb nach kurzer, schwerer Krankheit, versehen mit den heiligen Sterbesakramenten, unsere Landsmännin Frau Hildegard Gleißner im 62.Lebensjahr.

Sie wurde am 13.10.1928 in Thiergarten geboren und lebte mir ihren Eltern in Karlsbad. Schon sehr früh verstarb ihre Mutter und bereits mit 12 Jahren war sie Vollwaise. Zu ihrem Geburtsort fühlte sich die sehr naturverbundene Landsmännin zugehörig und hielt sich daher oft bei ihren Großeltern (Kroamotzn) auf. Nach dem Besuch der Volks- und Bürgerschule in Karlsbad wurde sie in Prag als Kindergärtnerin und Erzieherin ausgebildet. Kurz vor dem Zusammenbruch kehrte sie nach Karlsbad zurück und musste dann mit ihren Angehörigen nach Thiergarten zu den Großeltern flüchten. Sie wurde im Zuge der Vertreibung mit vielen Landsleuten in die Gegend von Augsburg (Biburg) ausgesiedelt.

Am 07.07.1947 heiratet sie in Ansbach ihren Jugendfreund und Landsmann Franz Gleißner (Grawaschn Franz). Nachdem ihr Mann im Jahre 1951 die Prüfung als Elektromeister absolvierte, verzogen beide im Jahre 1953 nach Pilsting Kreis Landau/Isar und gründeten ein Elektrofachgeschäft. Es folgten harte und schwere Aufbaujahre, die beide erfolgreich meisterten. Wir wissen, wie schwer es damals wir Vertriebenen hatten, eine Existenz zu gründen. Mit Fleiß und Ausdauer versah sie unermüdlich die an sie gestellten Aufgaben, einschließlich der Kindererziehung. Im Jahre 1966 entschlossen sich beide, in Geretsried ein neues Geschäft zu gründen, das sie mit ihrem Mann zu einer beachtlichen Größe ausbaute. Nach fast vier Jahrzehnten harter Arbeit konnte endlich der verdiente Ruhestand angesteuert werden und es blieb endlich Zeit, ihren Hobbys nachzugehen. Leider war diese Zeit nur sehr kurz. Das Schicksal wollte es anders. Eine verzögerte, an sich verhältnismäßig einfache Operation sollte im Kreiskrankenhaus Wolfratshausen vorgenommen werden. Eine zunächst nicht erkannte, heimtückische Krankheit wurde dabei festgestellt. Nach kurzem Aufenthalt kam sie nach Hause, musste aber bald in das Großklinikum Großhadern in München eingeliefert werden. Trotz aller ärztlichen Hilfe gab es jedoch keine Rettung mehr. So endete das Leben einer tatkräftigen und immer einsatzbereiten Frau.

Der Trost der Angehörigen ist, zu wissen, dass sie vom Erdenleid erlöst ist. Am 21.05. wurde sie im Waldfriedhof in Geretsried beigesetzt. Eine überaus große Anzahl von Trauergästen nahm daran teil, was auf ihre Beliebtheit hinwies. Die Chorvereinigung Geretsried, deren Mitglied sie war, sowie ein Trompeter verabschiedeten sie mit ergreifenden Weisen.

Um die Verstorbene trauern ihr Gatte, die Kinder, Enkelkinder und eine Urenkelin nebst all ihren Angehörigen und Verwandte. Ihnen gilt unsere Anteilnahme. Möge der Allmächtige die Verstorbene in sein Reich aufnehmen und ihr den ewigen Frieden schenken.

Das Leben ist ein immerwährendes Abschiednehmen, der Tod ist Heimkehr“.

 

Josef Gleißner, Tulpenstr. 28, 8192 Geretsried 1, Schwager

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